Gedanken zu Authentizität und Terroir
Die Verbindung von Boden, Rebe, Winzer und Handwerk.
Der Markt wird heutzutage von technisch hergestellten und standardisierten Weinen dominiert. Eigentlich wenig überraschend, denn die Nachfrage nach billigem Wein ist groß, und dafür muss er meist industriell produziert werden. Gleichzeitig wächst allerdings das Verlangen nach authentischen Weinen, die durch das schöpferische Zusammenspiel von Weinberg, Rebe, Klima und dem Handwerk des Winzers entstehen. Wir beobachten diese Entwicklung beispielsweise in der aufstrebenden Naturwein-Szene, die eine wachsende Anziehungskraft auf jene Weinliebhaber ausübt, die sich nach Authentizität sehnen. Der uralte Begriff "Naturwein" sollte allerdings etwas weiter gedacht werden als im gerade aktuellen Kontext, denn er trägt mittlerweile eine gewisse Kontroverse und wird meist nur mit alternativen und unkonventionellen Stilen verbunden. Dabei existiert heute, wie schon vor Jahrhunderten, ein klassischer, traditioneller Stil, der ebenfalls das Ergebnis einer naturzentrierten, handwerklichen Herangehensweise ist und authentische, terroir-bezogene und klare Weine hervorbringt (wie wir es unter anderem auch aus unserem eigenen Weinarchiv nachvollziehen können, welches bis 1934 zurückreicht, bevor es moderne Technik für Weinberg und Keller gab). Die Unterscheidung liegt lediglich in der definierten Zielsetzung und der Interpretation des Terroirs. Eine Frage des Stils. Doch ganz egal was man persönlich gerne trinkt (Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters), diese Entwicklung ist zweifellos erfreulich! Wir möchten hier gerne unsere Gedanken zu diesem Thema teilen. Was bedeutet "Authentizität" und wie steht sie mit dem Konzept "Terroir" in Verbindung?
Wenn es um Wein geht, ist Authentizität von zentraler Bedeutung.
Im Wesentlichen kann Autentizität nur aus der engen Verbindung hervorgehen, die zwischen dem Weinberg und dem Winzer und seinem Handwerk besteht. Authentischer Wein erzählt seine eigene Geschichte und spiegelt den einzigartigen Charakter seines Terroirs wider (dazu gleich mehr Gedanken). Er besticht durch seine natürliche Ausdruckskraft und Individualität, Qualitäten, die in industriell produziertem Wein uniformiert werden und verloren gehen. Seine Authentizität ist aber nicht nur durch eine spürbare Herkunft begründet. Ein solcher Wein lässt auch die Schönheit der Imperfektion erkennen, die in der Natur und im handwerklichen Prozess verwurzelt ist - ein lebendiger Prozess, der die Integrität der Weingärten, der Weine und der kulturellen Traditionen bewahrt.
Das Terroir.
Kaum ein anderes Wort vereint so viele Faktoren zu einem Gesamtkonzept und einer Idee wie das "Terroir". Der ursprünglich aus dem französischen stammende Begriff bedeutet "Gegend" und bezieht sich in der Regel auf das komplexe Zusammenspiel von Boden, Mikroklima und Gelände. Eine Vielzahl von Faktoren wie Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht, Niederschlag, Sonnenstunden, Hangneigung, Boden-beschaffenheit, -farbe und -durchlässigkeit spielen dabei eine entscheidende Rolle. Doch Terroir ist nicht nur Erde und Wetter.
Wenn wir Terroir als Verbindung von Boden und Klima betrachten, ist der Begriff noch einigermaßen klar. Doch zum Terroir gehören auch die lokalen Anbaupraktiken, die lokale Geschichte und die daraus hervorgegangene Weinbaukultur und das überlieferte Wissen um das immer weiter verfeinerte Handwerk. Der Winzer selbst prägt das Terroir durch eine Vielzahl von Entscheidungen (Bodenbearbeitung, Stockpflege etc.), die er Jahr für Jahr auf Basis der Witterung und des Rebewachstums treffen muss. Wenn wir also die Auswahl der Sorte, die Auswahl der Rebsetzlinge (Selection Massale oder Klonen-Selektion) oder die Arbeitsweise (ob der Weinberg etwa mit oder ohne Traktor bearbeitet wird) berücksichtigen, wird der Begriff schnell komplizierter.
Im weiteren Sinne umfasst Terroir auch den Keller und seine einzigartige Mikroflora (Hefen, Bakterien etc.), die Verarbeitung (Pressverfahren, Gärung, Lagerung, Einsatz von Schwefel [Jura, Jerez ...] etc.) sowie den Gaumen derjenigen, die den Wein während seiner Entstehung begleiten. Das macht den Menschen zum Herzstück dieser lebendigen Geschichte. Terroir ist also kein einfach definierter Begriff und oft auch nicht eindeutig definierbar.
Die menschliche Komponente.
Die Vorstellung, dass Wein ausschließlich das Produkt eines Ortes ist oder sein sollte, ist illusorisch. Wein ist ein Kulturprodukt und als solches das Ergebnis menschlicher Planung und menschlichen Handelns. Wir wählen die Rebsorte aus, bestimmen den Standort, legen den Weingarten an, pflegen die Stöcke nach unseren Vorstellungen und ernten die Trauben zu einem bestimmten Zeitpunkt mit unseren Händen, um dann auf unsere eigene Art und Weise, in den traditionellen oder modernen Weinkellern, Wein daraus zu machen. Mit unserer Arbeit bestimmen wir einen Stil, gewollt oder ungewollt, deswegen ist eine erzwungene Entscheidung zwischen "Stil" und "Herkunft" hinfällig. Das Gleichgewicht ist wichtig. Winzer stecken viel Zeit und Mühe in die Pflege ihrer Böden und Weingärten, denn am Ende sollen die daraus gewachsenen Trauben, geprägt von diesem Ort, durch ihre Hände in den Weinen zur Geltung kommen. Auch wenn der Einfluss der menschlichen Komponente unbestreitbar ist, sind es die Herkunft und der Boden, die im Zentrum der Faszination und Anziehungskraft stehen, die viele großartige Weine auf uns ausüben.
Die Bedeutung des Bodens.
Nichts ist für uns so wichtig wie der Boden, denn er bildet die essentielle Grundlage für unsere Reben, und im Gegensatz zur menschlichen Komponente, ist er der "unveränderbare" Bestandteil des Terroirs. Er beeinflusst den Geschmack der Trauben auf vielfältige Weise. Ein gesunder Boden sichert eine ausreichende Nährstoffversorgung der Weinstöcke und unterstützt ihr Wachstum und ihre Entwicklung. Er ermöglicht es, dass Reben (Rebwurzeln), Pilze (Mykorrhiza) und Mikroorganismen in Harmonie mit der natürlichen Umgebung arbeiten können und fördert somit die Entwicklung robuster Pflanzen sowie aromatischer und nährstoffreicher Trauben. Aus genau diesen Gründen arbeiten wir nach den Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft. Vereinfacht gesagt heißt das, dass wir bei der Bewirtschaftung unserer Weingärten ein besonderes Augemerk auf den Oberboden (auch Muttererde genannt) legen und dabei eine fein abgestimmte Strategie verfolgen, welche sich im Kern aus einer Kombination von Kompostmanagment, Begrünungsmanamgent und Belüftung (Pflug, Unterbodenlockerer) zusammensetzt. Ein gesunder und begrünter Oberboden fördert das Wurzelwachstum, die Nährstoffaufnahme und die Wasserspeicherung (1% mehr Humus kann bis zu 430 m³ mehr Wasser pro ha speichern), während er gleichzeitig einen vielfältigen Lebensraum für Insekten, Würmer und Mikroorganismen schafft, die dadurch ihren positiven Einfluss auf die Bodenfruchtbarkeit entfalten können. So ensteht ein wirkungsvoller Kreislauf, der die Gesundheit unsere Weinberge nachhaltig unterstützt und laufend regneriert!
Aber wenn wir über Terroir sprechen, betrachten wir den Boden immer in seiner Gesamtheit. Die eben angesprochene Muttererde bedeckt lediglich die darunterliegende Geologie (Gestein, Löss, Kies etc.) und variiert in ihrer Dicke. Manchmal sind es nur wenige Zentimeter, bis man auf blankes Gestein trifft, wie beispielsweise in unserern Terrassen am Steinhaus. Die Reben nutzen den Boden als Verankerung und als Nährstoff- und Wasserspeicher. Das unsichtbare Wurzelsystem der Reben, hat oft mehr Masse als der Rebstock selbst und ist von den Eigenschaften des Bodens abhängig. Diese Bodeneigenschaften beeinflussen auch das Mikroklima, das für das Wachstum der Reben und die Reifung der Trauben von Bedeutung ist. Je nach Zusammensetzung können Böden Sonnenenergie in unterschiedlichem Maße absorbieren, reflektieren, speichern und abgeben. Steinige, schwere & dunkle Böden wie am Schenkenbichl benötigen viel Sonnenenergie, um sich aufzuwärmen, können sie aber auch lange speichern. Leichte, helle & trockene Böden wie im Thal hingegen erwärmen sich schneller, kühlen aber auch schnell wieder ab.
Neben lebendiger und fruchtbarer Muttererde, die ausreichend essentielle Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor enthält, benötigt die Weinrebe weitere Mineralien, die direkt durch die Verwitterung von Gesteinen entstehen und in Größe sowie chemischer Zusammensetzung variieren. Die drei wichtigsten davon sind Kalium, Magnesium und Calcium. All diese Elemente spielen eine entscheidende Rolle in verschiedenen physiologischen Prozessen, die das Pflanzenwachstum, die Entwicklung und die allgemeine Gesundheit unterstützen und dadruch indirekt den Geschmack der Trauben beinflussen (über den Boden). Das bringt uns zu einem äußerst interessanten Punkt:
Mineralität!
Oft empfinden wir eine "mineralische" Note, besonders in Verbindung mit hoher Säure, wenn wir uns den steinigen Boden vorstellen, auf dem die Weinstöcke wachsen. Ganz so einfach ist der Begriff "Mineralität" allerdings nicht erklärt. Grundsätzlich müssen wir auf Basis dieses Gedankens davon ausgehen, dass alle Weine mineralisch sind, denn am Ende spiegelt jeder Wein den Boden wider, auf dem die Reben gewachsen sind, und von allen Böden nehmen die Wurzeln mineralische Pflanzenbausteine auf. Selbst ein feinkörniger Boden wie Löss besteht aus verwittertem Gestein und sollte daher noch intensivere Mineralität hervorbringen, oder? Immerhin könnte man annehmen, dass die feinen Mineralpartikel leichter von der Pflanze aufgenommen werden können als große Kieselsteine oder Felsen. Der verbreitete Ansatz "Stein = Mineral = Minerlität" ist schlichtweg falsch. Die oben beschreibene Wahrnehmung der Mineralität steht wohl viel mehr mit der Kargheit des Bodens und der damit verbundenen Verfügbarkeit von Nährstoffen und Wasser in Verbindung, auf welche die Rebe reagiert. Eine gestresste Rebe auf steinigem und trockenem Untergrund produziert einfach andere Trauben als die gleiche Rebe, würde sie "einfachere" Bedingungen für das Wachstum vorfinden. Es steht also außer Frage, dass authentischer Wein den Charakter des Bodens, auf dem er wächst, reflektiert. Dennoch ist eines klar: Mineralität ist eine äußerst subjektive Empfindung, die schwer zu definieren ist (und sich bis heute auch nicht wissenschaftlich belegen lässt). Letztendlich ist es aber genau dieser Umstand, der den Begriff so besonders macht. Er beschreibt ein Gefühl, das ein Wein dem Trinker vermittelt und ihm so eine Identität verleiht, die über den Geschmacksausdruck der Rebsorte hinausgeht. Der Begriff "Mineralität" ist ein Versuch, das im Wein spürbare Terroir in Worte zu fassen. Es ist faszinierend, wenn ein Wein Bilder im Kopf erzeugt, die zu jenem Ort passen, an dem er gewachsen ist, und umgekehrt.
Das Terroir in der Luft.
Noch etwas kann einen deutlichen Einfluss auf den Geschmack des Weines und damit auf die Wahrnehmung des Terroirs nehmen: der Duft der Umgebungsluft. Die natürliche Wachsschicht (Cuticula), die sich während des Reifungsprozesses auf den Beeren entwickelt, schützt die Trauben vor Feuchtigkeitsverlust und äußeren Einflüssen wie Pilzkrankheiten. Da diese Wachsschicht fettlöslich ist, kann sie aber auch leicht flüchtige organische Verbindungen aus der Umgebungsluft aufnehmen. Geruchsstoffe können also in die Wachsschicht der Trauben eindringen und dort gespeichert werden. Egal ob würzige Waldluft, der Rauch von Buschfeuern oder eine salzige Meeresbrise - während der Mazeration, also dem Kontakt von Saft und Schale, der bei uns bis zu 36 Stunden dauert, überträgt sich diese "Information" auf die späteren Weine.
Es steht außer Frage, dass auch die Hefen eine entscheidende Rolle bei der Freisetzung der beereigenen Aromen spielen. Eine detaillierte Betrachtung ihres Einflusses würde allerdings den Umfang dieses Beitrags sprengen (diesen Punkt werden wir in einem eigenen Beitrag behandeln). Es sind am Ende unzählige Faktoren, die den Geschmack des Weins beeinflussen und ihn für uns gerade deshalb zum faszinierendsten Getränke der Welt machen.
All diese Gedanken führen für uns zu einem klar definierten Ziel:
Wir wollen authentische, zeitlose und handwerkliche Weine erzeugen, die nach Hiedler, dem Kamptal und dem Jahrgang schmecken. Unter "authentisch" verstehen wir den einzigartigen Charakter unserer Heimat und somit unseres Terroirs, den wir in unseren Weinen zum Ausdruck bringen. Der Begriff Terroir umfasst jedoch auch alle Besonderheiten, die nicht nur das Kamptal, sondern auch uns als Winzer ausmachen. Diese Verbindung ist niemals nachahmbar und macht unsere Weine letztendlich unverwechselbar und persönlich.