01. January 2021

Retrospektive: Jahrgang 2020

Das Jahr 2020 war für einige Überraschungen gut. Plötzlich war die Welt in Stille getaucht. Alles war anders, oder doch nicht? Die Erde hat sich weiter gedreht. Die Winde haben weiter geweht. Reichlich Regen ist gefallen. Das Wasser ist durch die stämmigen Reben geschossen und unsere Trauben konnten in diesem milden Sommer entspannt heranreifen. Um ehrlich zu sein, fühlte sich draußen in der Natur einfach alles richtig gut an, auch wenn wir am Ende etwas nass geworden sind. Wir erzählen euch, wie wir das Weinjahr 2020 erlebt haben:

 

Winter

Wo bleibt eigentlich der Winter? Wieder beginnt das Jahr ungewöhnlich mild. Es ist kühl aber alles andere als eiskalt. Auch wenn kaum Schnee fällt, gibt es doch ausreichend Niederschläge. Der oft nebelverhangene Himmel hat uns bis Ende Jänner rund 65 mm geschenkt. Das milde und feuchte Wetter hält auch im Februar an. Bis Ende des Monats liegt die Niederschlagsmenge ca. 25% über dem langjährigen Schnitt. Starke Winde, mit teils heftigen Orkanböhen, haben eine erhöhte Verdunstungsrate zur Folge, was die schöne Regenmenge teilweise relativiert. Im Weingarten geht es mit dem Rebschnitt gut voran. Das Holz ist kräftig und damit sind beste Voraussetzungen für das Wachstum der neuen Triebe im Frühjahr gegeben. Im Keller bereiten wir die ersten jungen Weine des Vorjahres für die Füllung vor und kümmern uns behutsam um die zahlreichen Langsam-Gärer. Die großartige Qualität des 2019er Jahrgangs lässt bei jeder Verkostung große Freude aufkommen und damit die Motivation für den kommenden Jahrgang weiter anschwellen.

Frühling

Im März macht der Frühling bereits auf sich aufmerksam und dann... hat die Corona-Krise die Welt plötzlich fest im Griff. Die Wirtschaft steht still, gleichzeitig beginnt der Wahnsinn Natur die nächste Runde zu drehen. Die Witterung ist trocken und teilweise sehr warm (bis 20°C). Am 9. März beginnt mancherorts bereits die Marillenblüte und lässt einen frühen Austrieb der Reben erahnen. Ende März stürzen die Temperaturen wieder unter 0°C, eine Wetterphase die rund 2 Wochen anhält und akute Frostgefahr mit sich bringt. In gefährdeten Weingärten und Junganlagen haben wir die Reben aus diesem Grund vorausschauend noch nicht niedergebunden. Frostschäden in den Rebanlagen können wir bei teils minus 3°C leider nicht vermeiden. Unsere Marillen sind damit auch Geschichte. Im April schießen die Temperaturen wieder empor (am Ostersonntag zeigt das Thermometer frühsommerliche 25°C!). Wie im Vorjahr beginnen die Augen zwischen 12. und 17. April auszutreiben, wegen der zuvor frostigen Temperaturen eher schlecht und sehr unregelmäßig. Manche Triebe befinden sich Ende April bereits im 5-Blatt Stadion während sich andere Knospen gerade erst öffnen. Ein Umstand, der sich auch bei Blüte und Ernte bemerkbar machen wird. Nur wenige Regenwolken verirren sich in dieser Zeit ins Kamptal. Es wird extrem trocken.

Im Mai drängt die Natur mit viel Energie dem Licht entgegen. Jeden Sonnenstrahl und jeden Regentropfen setzt sie mit gewohnter Kraft um. Die Reben wachsen im Eiltempo. Die Weingartenarbeit in dieser Zeit des Jahres ist entscheidend. Um eine lockere Laubwand aufzubauen, werden überschüssige Triebe ausgebrochen. So bekommen die Trauben genügend Freiraum, um ihren "Mindestabstand" einzuhalten. Das beugt der "Ansteckung" durch diverse Pilzkrankheiten vor. Der Wind kann später die Laubwand im Sommer gut durchdringen und die Trauben dabei trockenen (und kühlen). Die frühjährliche Trockenheit legt sich allmählich. 60 mm Niederschlag im Mai und 120 mm Niederschlag im Juni füllen die unterirdischen Wasserreserven wieder auf. Die Temperaturen sind moderat und bewegen sich im langjährigen Schnitt.

Die gewonnene Zeit rund um Corona nutzen wir, um neue Projekte in Angriff zu nehmen. Mitte Mai starten wir das Projekt: „Kupferfreier Pflanzenschutz". Erstmals schützen wir eine kleine Versuchsfläche ausschließlich mit einer Mischung aus Kräuterextrakten, Netzschwefel und Gesteinsmehl. Wir wollen so die Abwehrmechanismen der Pflanze auf natürliche Weise anregen. Die Kräuterbiologie (bestehend aus Basilikumkraut, Brennnessel, Eibisch, Thymian, Brombeere, Schafgarbe etc.) macht die Regulationsmechanismen der Natur für uns nutzbar. Ein positives Milieu von Mikroorgansimen besiedelt dabei die Pflanzen und verdrängt Pilze und andere Schaderreger. Ein spannendes Konzept, das wir entschlossen sind umzusetzen. Die Ergebnisse übertreffen alle Erwartungen. Die Gesundheit der Reben und Trauben ist zu allen Zeitpunkten gegeben. Eine überaus schonende Methode für das Ökosystem des Weingartens. Wir fassen den Entschluss, in den kommenden Jahren unsere gesamte Fläche umzustellen. So wollen wir unsere Vorstellung von regenerativem und naturnahmen Weinbau weiterhin bestmöglich umsetzen.

Sommer

Auch im Juli und August bleibt es angenehm mild. Was für ein wunderbar grüner Sommer! Und definitiv ein Segen für die Natur, die durch die Trockenheit der vergangenen 3 Jahre doch schon strapaziert ist. Es regnet häufig. Über viele Tage verteilt fallen in beiden Monaten knapp 250 mm Niederschlag, was deutlich über dem Schnitt liegt. Glücklicherweise kommt es nie zu einer Situation, die unseren Pflanzenschutz vor unüberwindbare Hürden stellt. Wie wir, bleiben auch unsere Reben und Trauben gesund. Die Vegetation schreitet durch die gute Wasserversorgung stressfrei voran, die Wüchsigkeit der Triebe ist teilweise extrem. Wir haben alle Hände voll zu tun, um mit unseren Laubarbeiten mitzuhalten. Die Trauben reifen langsam heran und sind nie extremer Hitze ausgesetzt. Eigentlich ist alles perfekt. Trotz des frühen Austriebs, rückt die Ernte witterungsbedingt immer weiter nach hinten. Wir erwarten zu diesem Zeitpunkt einen sehr guten Jahrgang, Lesebeginn in der zweiten Septemberhälfte. Anfang September hoffen wir mittlerweile auf etwas mehr Trockenheit. Es ist viel Wasser im Boden, die Trauben schwellen an, der Fäulnisdruck nimmt zu. 10 Tage vor Erntebeginn kommen nochmal 30 mm Nachschub vom Himmel. Wir stellen uns auf eine besonders selektive Handlese ein.

Herbst

16. September: Die Sonne scheint. Bei moderaten Temperaturen gehen wir ans Werk, die Lese-Scheren werden gezückt. Traditionell beginnen wir mit unserem Muskat Ottonel und schreiten am nächsten Tag mit der Ernte für unseren Sektgrundwein voran. Die ersten Moste zeigen bereits deutlich die Fruchtintensität des Jahrgangs an. Wir gehen über zur Veltliner-Ernte. Die Säuren sind frisch, die Zuckergradation nimmt witterungsbedingt nur langsam zu. Das ist alte österreichische Schule. Die Erwartungen rund um die Erntemenge werden auf den Boden der Tatsachen geholt. Der Regen hat seine Spuren hinterlassen. Einen Teil der Früchte müssen wir nach einem intensiven Weingartenjahr schweren Herzens zu Boden schneiden. Qualität hat ihren Preis, wir wollen optimales Traubenmaterial in die Pressen einfüllen. Interessanterweise sind es dieses Jahr die robusten Veltliner, denen der Regen eher zusetzt. Nicht zuletzt wegen der gut wasserspeichernden Löss- und Lehmböden, auf denen sie mehrheitlich wachsen (der Vorteil in trockenen Jahren). Unsere Rieslinge wachsen auf den trockenen Urgesteinsterrassen und sind etwas dickschaliger, dass zeigt sich im Gesundheitszustand der Trauben. Immer wieder kommt es zu kleineren Regenunterbrechungen. Anfang Oktober haben wir bereits einen großen Teil unserer Basis-Qualitäten gelesen, ebenso ein Großteil der Burgunder. Weiter geht es mit unseren Lagenweinen: Thal, Käferberg, Heiligenstein und Kogelberg kommen bis Mitte Oktober nach Hause.

Unermüdlich selektieren wir mit unserer erfahrenen Mannschaft das goldgelbe Traubengut. Erinnerungen an die schwierige Lese im Jahr 2010 werden wach, wohlgemerkt einer unserer Lieblingsjahrgänge der letzten Dekade. Das motiviert uns, trotz der herausfordernden Umstände! Mittlerweile ist es sehr kalt geworden. Der Fäulnisdruck sinkt und der Gesundheitszustand der Trauben bleibt über die kommenden Wochen einigermaßen stabil. Bis Ende Oktober haben wir schließlich auch die Trauben von Gaisberg, Steinhaus und Schenkenbichl vom Stock geschnitten. Jetzt scheint es so, als wären wir die letzten Kamptaler die noch am Lesen sind. Wir lassen uns Zeit. Seit einigen Tagen ist es sonnig und eiskalt in Langenlois. Die Aromen werden von Tag zu Tag konzentrierter, die Moste dichter und süßer. It's Maximum time! Schließlich ist es am 6. November soweit, wir schließen die Ernte mit einer letzten Partie köstlicher Trauben für Riesling Maximum ab, bei strahlendem Sonnenschein. Die ersten Moste sind zu diesem Zeitpunkt, knapp 2 Monate nach Lesebeginn, bereits durchgegoren. Nach dieser herausfordernden Lese machen uns die gschmackigen & hefetrüben Weine eine umso größere Freude. Elegante Leichtigkeit bei wunderbarer Fruchtfülle, klassisch Österreich. Der Aufwand hat sich definitiv gelohnt. Wie immer wird die Zeit ihr Übriges tun. Wir freuen uns schon darauf, das Ergebnis unserer Arbeit mit euch zu teilen. Der Frühling kann kommen (und Corona kann gehen)! 😉