01. January 2020

Retrospektive: Jahrgang 2019

Die Neuner-Legende lebt weiter. Wie schon die zahlreichen Neuner-Jahrgänge zuvor, wird uns auch 2019 als großes Weinjahr in Erinnerung bleiben und über viele Jahre Freude bereiten. Wir schließen gleichzeitig ein ereignisreiches Jahrzehnt ab, das uns auf viele Weise überrascht, gefordert und zuletzt eben besonders glücklich gemacht hat. Zeit, um das Weinjahr 2019 Revue passieren zu lassen:

Das Jahr 2019 beginnt im Kamptal mit einem angenehm kalten Jänner. Es hat etwas geschneit und die Weingärten erstrahlen in einem Hauch winterlicher Pracht. Wir genießen die ruhige und schöne Landschaft, während wir uns um den jährlichen Rebschnitt kümmern und damit den ersten Schritt unserer Qualitätsphilosophie umsetzen. Die Kälte erreicht 2019 nicht die selben Extreme wie im Jahr zuvor, aber es reicht, um die Böden etwas durchzufrieren. Im Keller reift indes der ungewöhnliche Jahrgang 2018 heran, der sich in seiner Jugend ungemein saftig und puristisch präsentiert. Ein paar wenige Fässer und Tanks befinden sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Gärung.

Der Februar fällt etwas wärmer aus als im langjährigen Schnitt. Die Böden sind gut durchfeuchtet, sodass wir später problemlos Kompost in die lockere Muttererde einarbeiten können. Der März ist durchwegs warm und frühlingshaft. Bereits sehr früh, Ende März, stehen die Reben im Saft und die Augen beginnen zu schwellen. Seit langem hat es keinen nennenswerten Niederschlag mehr gegeben. Die Situation soll auch im April anhalten, der wieder überdurchschnittlich warm ausfällt. Wir verzeichnen das trockenste Frühjahr seit Jahrzehnten (90% weniger Niederschlag als üblich). Zwischen 12. und 17. April treiben unsere Reben aus. Dann kommt endlich Regen. Er ist der Vorbote einer eintreffenden Kaltfront, die das Weinjahr 2019 wie kein anderes Wetterphänomen (positiv) prägen soll.

Der ungewöhnlich kalte Mai bringt viel Regen. Wir sind zwischen einem Tief und einem Hoch eingekeilt, das kontinuierlich kalte und feuchte Luft aus dem Norden nach Österreich schaufelt. In einer besonders kalten Nacht Mitte Mai, sinken die Temperaturen knapp unter den Gefrierpunkt, was zu geringen Frostschäden führt. Die kalte Witterung hält die Vegetation deutlich zurück. Die jungen Triebe wachsen nur sehr langsam. Das gefällt uns gut, denn wir haben ohnehin einen deutlichen Vorsprung durch den verfrühten Austrieb. Ende des Monats scheint die Vegetation um gut 2 Wochen zurückversetzt worden zu sein, während sich in den Weingärten eine gute Wasserversorgung für den Sommer eingestellt hat. So hat uns der Mai einen großartigen Jahrgang gesichert.

Mit dem Juni zieht extreme Hitze ins Land, die an manchen Tagen bis zu 36°C erreicht. Dabei bleibt es, bis auf vereinzelte Gewitter, sehr trocken und sonnig. Die Blüte setzt am 10. Juni ein. Wegen der großen Hitze verblühen die Gescheine auch heuer wieder unregelmäßig, was zu einer sehr lockeren Traubenstruktur führt, besonders bei unserem Grünen Veltliner. Händisch entfernen wir Blätter im Inneren der Traubenzone, um die Laubwand luftig zu gestalten und trotzdem eine großflächige Beschattung der Trauben zu garantieren. Mit einer zweiwöchigen, kühlen Periode Anfang Juli fällt zwar wieder etwas Regen, ausreichend ist es im Kamptal allerdings nicht. Wir beginnen der sommerlichen Trockenheit entgegen zu wirken und reduzieren die Erträge in den Junganlagen. So vermeiden wir Stresssituationen bei den jüngsten Reben, die sonst noch Jahre danach negative Auswirkungen zeigen könnten. Ende Juli sind die Trauben ausgewachsen, die Beeren sind deutlich kleiner als im Vorjahr, und beginnen in die Zuckerreife überzugehen. Die drückende Hitze wälzt auch im August über das Land, allerdings beschert uns das Wetter deutlich mehr Niederschlag, was sich besonders positiv auf die Vegetation und Traubenqualität auswirkt. Unsere Weingartenbegrünung beginnt wunderschön zu blühen. Ab Ende August setzt eine kühlere Periode ein, die vor allem auch angenehm kühle Nachttemperaturen mit sich bringt. Ideal für die feinen Fruchtaromen und eine gute Säurestruktur. Nun stehen wir kurz vor der Ernte. Wir haben gut gearbeitet. Die Trauben sind in perfektem Gesundheitszustand.

4. September: Startschuss für die Lesemannschaft, wir zücken unsere filigranen Lese-Scheren. Die Temperaturen sinken mit Monatsbeginn weiter ab. Es ist überwiegend trocken und sonnig. Die Vorraussetzungen für hochelegante Weissweine sind am Punkt. Wir beginnen diesmal mit der Ernte von unserem ersten Sektgrundwein: Weissburgunder und Pinot Noir, mit frischer Säure und intensiver Aromatik. Unser Muskat Ottonel (traditionell eigentlich als Erstes gelesen) kommt am folgenden Tag dran. Dann geht es gleich weiter mit den Junganlagen, die wir möglichst bald von ihrer Last befreien wollen, und den frisch-fruchtigen Basisweinen unseres Grünen Veltliners. Zwischen 7. und 9. September trifft, wie die 2 Jahre zuvor, wieder eine feuchte Wetterfront auf das Kamptal (mittlerweile scherzhaft bekannt als unser Kamptaler El Niño). Diesmal fallen 33 mm Regen, die ein paar wenigen Sorten zusetzen. Es kühlt weiter ab. Im letzten September-Drittel misst das Thermometer nur noch 2-4°C Morgentemperatur und klettert tagsüber auf 15 bis 20°C, bei meist strahlendem Sonnenschein. Traumhaft schmeckende Moste lassen große Freude über diesen tollen Jahrgang aufkommen.

Der Gesundheitszustand der Trauben bleibt selbst nach dem Regen überwiegend gut. Unser Veltliner ist robust. Vereinzelt finden sich Fäulnisnester im Riesling und in den Burgunder-Sorten. In der Kühle des späten Septembers wachsen diese Nester allerdings kaum weiter und stellen daher nur ein kleines Hindernis bei unserer ohnehin sehr selektiven Handlese dar. Pinot Noir, Chardonnay und Weissburgunder müssen vom Stock und werden Ende September in den Keller geholt. Den Auftakt bei den Lagenweinen machen Thal und Schenkenbichl. Beide sind bis Monatsende geerntet, gemeinsam mit einem ersten Teil unseres Riesling Ortsweines. Ohne Hektik geht es auch im Oktober weiter mit unseren Top-Lagen. Käferberg, Kittmannsberg, Gaisberg, Heiligenstein, Kogelberg und am Ende Steinhaus, wo uns überall hocharomatische und goldgelbe Trauben entgegenleuchten. Die Lese geht Mitte Oktober in die Endphase. Voll ausgereiftes, konzentriertes und kleinbeeriges Traubenmaterial von unseren ältesten Stöcken kommt mit wunderbarer Güte im Keller an. Das ist Maximum wie aus dem Bilderbuch! Den Abschluss macht wie immer unser (global gesehen) extrem kühl reifender Sangiovese, der eine unglaubliche Dichte mit sich bringt. Was für ein Jahrgang! Wie immer wird die Zeit ihr Übriges tun, und die nehmen wir uns...